Mittwoch, 23. August 2017

Sommergedichte (13): Gewitterlektüre

410. Episode

B.D.
meidet den See -
wenn die Elemente zürnen
die Wellen sich türmen
Blitze in ihn krachen
nur mehr die Froschmänner lachen,
wenn es Nacht wird am Tag
- was er gar nicht mag:
dann geht er in sein Zimmer
und liest wie immer
im Buch des Lebens.
Aber auch wie immer: vergebens.

Sonntag, 20. August 2017

Sommergedichte (12): Geräusche

409. Episode

B.D.
hört den See -
und er wird gleich gegenübergestellt
seiner sonstigen Geräuschewelt.
Denn:
Was ist das Knattern des Außenbordmotors
gegen das Knallen der rasch gewendeten Buchseiten?
Was ist das Rascheln im Schilfgürtel
gegen das Zerknüllen eines Manuskripts?
Was ist das Reissen des Vorsegels
gegen das Zerreissen einer Zeitungsseite?
Was ist das Rollen der Steine am Strand
gegen das Gemurmel im Lesesaal?
Was ist das sanfte Wiegen der Palmen und Zypressen
gegen das Rauschen im Blätterwald?
Was ist der Schrei des Haubentauchers
gegen die Kennmelodie des Handys?
Was ist die Monotonie der anschlagenden Wellen
gegen die Serialität der minimal music?
Was ist das Schweigen der Fische
gegen die Stille seiner Bücher?
Was ist das ausfransende Ufer
gegen die Reimlosigkeit dieses Gedichts?

Freitag, 18. August 2017

Sommergedichte (11): Camouflage

408. Episode

B.D.
riecht den See -
das Wasser, das Schilf, die Tiere, die ganze Natur,
und das Essen, das Öl, die Menschen; aber nur
mit unsäglich olfaktorischer Penetranz.
Und dann doch noch: Alles ganz
überlagernd der edle Geruch,
der dem druckfrischen Buch
entströmt beim Blättern der Seiten.
Er wird ihn camouflierend begleiten.

Sonntag, 13. August 2017

Sommergedichte (10): quer und verquer

407. Episode

B.D.
quert den See -
kaum aus der Bucht, kommen geschwinde
die heimtückischen Seitenwinde:
Sie wollen ihn vom Weg abbringen.
Kann er sie bezwingen?
Oder wird alles nur
zur üblichen Makulatur:
das Ziel, der Plan, die Strategie -
alles perfekt, und geht doch nie.

Das dann erreichte Ufer ist nur mehr
suboptimal und verquer.

Donnerstag, 10. August 2017

Sommergedichte (9): See der Wörter

406. Episodes

B.D.
liebt den See -
bei ihm geht die Liebe
(wie all seine Triebe)
durch das Lesen.
So ist es von Anfang an gewesen:
Buchstaben bilden seine Welt.
Weshalb es ihm gefällt
in ihnen zu schwimmen, in sie zu tauchen,
sie demiurgisch zu gebrauchen.
Daher liebt B.D.
ganz besonders den Wörther-See.

Montag, 7. August 2017

Sommergedichte (8): Big Data

405. Episode

B.D.
sitzt am See -
und kommt in die Jahre.
So ist das: auch Bibliothekare
altern. Sie zeigen Falten,
und beim prospektiven Verwalten
der potentiellen Bestände
sind sie zunehmend am Ende
mit ihrem Latein. Aber gemach:
die noch Faltenlosen kommen nach,
und sie werden mit ihren Robotern singen:
"Seht her, welch Big Data-basiertes Zeug wir euch bringen!"

Donnerstag, 3. August 2017

Sommergedichte (7): Autonomie

404. Episode

B.D.
beobachtet den See -
seine glatte Oberfläche bricht
jedes auftreffende Licht
bei Tag und bei Nacht.
Hat nicht auch das Buch diese Macht,
opak zu sein
und für sich allein?
Es braucht keine Leser, ist autonom für immer -
wie der See, der braucht auch keine Schwimmer.

Sonntag, 30. Juli 2017

Sommergedichte (6): Albträume

403. Episode

B.D.
schläft am See -
und so beim Schlafen
kommen die Träume und strafen
das Tagesgeschehen Lügen:
Wohlfühlmeetings werden zu Abteilungskriegen;
die Zielfindung, die konsensuale,
verkommt zur harten Befehlsausgabe;
und die Erfolgsbilanz, die grosse,
geht wohlgeplant und voll in die Hose.
So sind die Träume: Sie killen
Manager-Egos und Manager-Grillen.

Mittwoch, 26. Juli 2017

Sommergedichte (5): Wasser im Mund

402. Episode

B.D.
schwimmt im See -
und so beim Schwimmen
kommen Gedanken, die schlimmen:
vom langsamen, und vom plötzlichen Untergehen,
vom nicht mehr auf eigenen Füssen Stehen,
von der Luft, die dünner wird unten und oben,
von den Karrieren, die ins Nichts zerstoben;
vom Wasser im Mund
zu später Stund.

Sonntag, 23. Juli 2017

Sommergedichte (4): die Stellvertreter

401. Episode

B.D.
ruht am See -
und sieht über ihn
die Wolken zieh'n.
Sie zieh'n von hier nach dort.
Er bleibt an seinem Ort:
verkabelt, vernetzt,
und zunehmend entsetzt
über das unqualifizierte Gezeter
seiner Stellvertreter.