Sonntag, 10. Mai 2020
Corona-Gedicht (4): der Spaziergang
B.D. geht auf der Strasse -
und zum Mass aller Masse
wird die Distanz.
Sie okkupiert ihn ganz:
Die Grenze von ein
Meter muss es sein.
Dieses laufende Vermessen
lässt alles andere vergessen:
den Blick in die Ferne,
das Leuchten der Sterne,
das trancehafte Schlendern,
das kokette Gendern,
das klassifizierende Botanisieren,
das antizipierende Memorieren -
Und so kehrt er nach Hause zurück
mit nichts als dem Ein-Meter-Blick.
Oder so:
B.D. geht auf der Strasse -
und zum Mass aller Masse
wird die Distanz.
Sie okkupiert ihn ganz :
Die Grenze von ein
Meter muss es sein .
Dieses laufende Vermessen
lässt alles andere vergessen :
den Blick in die Ferne ,
das Leuchten der Sterne ,
das trancehafte Schlendern ,
das kokette Gendern ,
das klassifizierende Botanisieren ,
das antizipierende Memorieren -
Und so kehrt er nach Hause zurück
mit nichts als dem Ein-Meter-Blick .
Samstag, 9. Mai 2020
Best of B.D. (49): Harmonie in Tempel und Buch
10.6.2012 - 137. Episode: der Tempel und das Buch
A.E. (Alter Ego): Das hilft mir schon als derzeit Harmoniebedürftigem, wenn ich nur ein Reclam-Bändchen um 45 Grad drehen muss. Lesen geht dann zwar nicht, aber intensiv betrachten wirkt wie autogenes Training.
B.D.: Schon wieder so ein Kollateralnutzen des analogen Buchs.
A.E. (Alter Ego): Das hilft mir schon als derzeit Harmoniebedürftigem, wenn ich nur ein Reclam-Bändchen um 45 Grad drehen muss. Lesen geht dann zwar nicht, aber intensiv betrachten wirkt wie autogenes Training.
B.D.: Schon wieder so ein Kollateralnutzen des analogen Buchs.
Freitag, 8. Mai 2020
Corona-Gedichte (3): die Kunst
B.D.
liebt Klee -
nicht den grünen,
sondern Paul, den kühnen
Maler der Geometrie
mit zarter Ironie:
die Farben blass,
als Titel irgendwas,
und unpräziser Strich -
richtig anschaulich
ist das nur im Original,
und nicht digital.
Aber wo? -
Unzugänglich wie ihr Depot
sind die Museen.
So kann es einem derzeit gehen
mit der Kunst:
Alles wie im Dunst.
Donnerstag, 7. Mai 2020
Best of B.D. (48): Lob der Merkmalsarmut
3.6.2012 - 136. Episode: Lob der Merkmalsarmut
A.E. (Alter Ego): Aber Merkmalsarmut allein ist es wohl nicht, die die Zuschreibungen und Projektionen provoziert?
B.D.: Natürlich nicht, aber sie bietet ihnen den grössten Spielraum.
A.E. (Alter Ego): Aber Merkmalsarmut allein ist es wohl nicht, die die Zuschreibungen und Projektionen provoziert?
B.D.: Natürlich nicht, aber sie bietet ihnen den grössten Spielraum.
Mittwoch, 6. Mai 2020
Corona-Gedichte (2): der Balkon
B.D. sitzt schon
frühmorgens auf dem Balkon.
Die Luft ist rein und virenfrei.
Unten ziehen die Leute vorbei,
vereinzelt trotz der Menge.
Nur hie und da etwas Gedränge
wenn eine Ampel rot.
B.D. geniesst das Morgenbrot
auf dem Balkon
und liest im geschrumpften Feuilleton
über das neueste Maskendesign.
Da sitzt er ganz allein
und ganz für sich -
und doch auch ziemlich öffentlich.
Dienstag, 5. Mai 2020
Best of B.D. (47): die Lesbarkeit der Medikamente
31.7.2011 - 94. Episode: eine Typologie des Beipackzettels
A.E. (Alter Ego): Ganz schön esoterisch, was du da heute ausgesucht hast! Wen soll das interessieren? Wer faltet Medikamentenbeipackzettel wieder zusammen, wenn er sie vorher gar nicht auseinandergefaltet hat? Die werden doch nicht gelesen!
B.D.: Da hast du recht. Pharmaindustrie und Medizin haben sogar ein Interesse daran, dass die Zettel nicht gelesen werden: die darin angeführten Nebenwirkungen schrecken die Patienten so sehr, dass sie dann die Medikamente nicht mehr einnehmen.
Die Benutzerfeindlichkeit der Zettel ist also Teil der Therapie. Und deshalb schauen sie auch heute immer noch so aus, wie sie vor 9 Jahren (94. Episode), und lange vorher schon, ausgeschaut haben.
A.E. (Alter Ego): Ganz schön esoterisch, was du da heute ausgesucht hast! Wen soll das interessieren? Wer faltet Medikamentenbeipackzettel wieder zusammen, wenn er sie vorher gar nicht auseinandergefaltet hat? Die werden doch nicht gelesen!
B.D.: Da hast du recht. Pharmaindustrie und Medizin haben sogar ein Interesse daran, dass die Zettel nicht gelesen werden: die darin angeführten Nebenwirkungen schrecken die Patienten so sehr, dass sie dann die Medikamente nicht mehr einnehmen.
Die Benutzerfeindlichkeit der Zettel ist also Teil der Therapie. Und deshalb schauen sie auch heute immer noch so aus, wie sie vor 9 Jahren (94. Episode), und lange vorher schon, ausgeschaut haben.
Montag, 4. Mai 2020
Corona-Gedichte (1): Anlass und Konzept
B.D. spricht
sein erstes diesbezügliches Gedicht:
"Oh Corona,
du bist seit sieben Wochen da,
aber ich gewöhne mich
nicht an dich.
Deine Herkunft, soweit bekannt,
ist eher degoutant.
Du lebst grossteils versteckt,
wirkst vor allem indirekt:
Dein Schaden ist tragisch im Einzelfall,
potenziert sich aber immens kollateral.
Du bist klein und nichtig -
nur in dem was du auslöst wichtig.
Deshalb ist das das erste und letzte der Gedichte,
das ich direkt an dich richte.
Ab jetzt ist die Rede nur mehr von mir,
und von einem 'Wir' -
aber du gehörst nicht dazu,
und lass uns endlich in Ruh."
Sonntag, 3. Mai 2020
Best of B.D. (46): am Ende des Tages
26.6.2011 - 91. Episode: am Ende des Tages ...
A.E. (Alter Ego): Üblicherweise haben solche Phrasen eine begrenzte Lebens- und Anwendungsdauer.
B.D.: Aber diese nicht. Obwohl jeder Tag aufs neue und sehr anschaulich zeigt, was an seinem Ende passiert - egal, wovon da gerade die Rede war.
A.E. (Alter Ego): Üblicherweise haben solche Phrasen eine begrenzte Lebens- und Anwendungsdauer.
B.D.: Aber diese nicht. Obwohl jeder Tag aufs neue und sehr anschaulich zeigt, was an seinem Ende passiert - egal, wovon da gerade die Rede war.
Freitag, 1. Mai 2020
Best of B.D. (45): direktoriales Würfelspiel
17.4.2011 - 81. Episode: Mitarbeiter ärgere dich nicht
A.E. (Alter Ego): Gut und schön. Aber warum soll er sich nicht ärgern, der Mitarbeiter?
B.D.: Weil das den Chef ärgern würde, und das ist nicht gut für den Mitarbeiter.
A.E.: Wäre das in einer digitalen Variante ein gutes Spiel für Home-Office-Zeiten?
B.D.: Eher nicht.
A.E. (Alter Ego): Gut und schön. Aber warum soll er sich nicht ärgern, der Mitarbeiter?
B.D.: Weil das den Chef ärgern würde, und das ist nicht gut für den Mitarbeiter.
A.E.: Wäre das in einer digitalen Variante ein gutes Spiel für Home-Office-Zeiten?
B.D.: Eher nicht.
Mittwoch, 29. April 2020
Bet of B.D. (44): Rechtskodex und Schönheit
3.4.2011 - 79. Episode: die Ästhetik der Ordnung
A.E. (Alter Ego): Endlich einmal etwas, wozu es nichts zu sagen gibt.
B.D.: Es sieht fast ein bisschen aus wie eine Partitur.
A.E.: Aber es ist jedenfalls eine andere Schönheit als die, die unser Bundespräsident v. d. Bellen in der Bundesverfassung fand, ebenfalls ein juristischer Text.
B.D.: Ob die sich auch so visualisieren lässt? - Wobei sich wieder einmal der Zusatznutzen analoger Produkte mit ihrem materiellen Substrat zeigt: digitale Rechtstexte können das nicht. Sie haben keinen immanenten ästhetischen Mehrwert.
A.E. (Alter Ego): Endlich einmal etwas, wozu es nichts zu sagen gibt.
B.D.: Es sieht fast ein bisschen aus wie eine Partitur.
A.E.: Aber es ist jedenfalls eine andere Schönheit als die, die unser Bundespräsident v. d. Bellen in der Bundesverfassung fand, ebenfalls ein juristischer Text.
B.D.: Ob die sich auch so visualisieren lässt? - Wobei sich wieder einmal der Zusatznutzen analoger Produkte mit ihrem materiellen Substrat zeigt: digitale Rechtstexte können das nicht. Sie haben keinen immanenten ästhetischen Mehrwert.
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