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Donnerstag, 4. März 2021

meine kleine Depression (6): revisited

 564. Episode 

Meine kleine Depression
ist noch nicht auf und davon. 
Sie sitzt weiter in ihrem Haus, 
kommt zwar nicht mehr so oft heraus, 
aber doch. 
Immer noch. 
Und jedes Mal 
dieselbe Qual: 
Die Unruhe, der totale Frust, 
der perspektivenlose Verlust 
jeglicher Zuversicht. - 

Aber dann im Tunnel ein Licht: 
Wenn ich ernst und formell das Wort an sie richte, 
und sei es mit einem meiner Gedichte, 
ist sie überrascht und unvorbereitet - 
die Kontrolle ihr plötzlich entgleitet. 
Wenn ich sie begrüsse als alte Bekannte, 
irgendwie im Geiste Verwandte, 
wenn ich fast nett "Hallo" zu ihr sage, 
und sie dann frage,
was sie eigentlich von mir will, 
wird sie ziemlich still. 
Habe ich dann ihrer finsteren Welt 
eine hellere entgegengestellt, 
die ich auch in und bei mir trage 
für solche Tage, 
dann knickt sie ein, 
wird ganz klein, 
geht in ihr Haus 
und kommt bis zum nächsten Mal nicht mehr heraus. 




Donnerstag, 3. Dezember 2020

meine kleine Depression (5): warum

 555. Episode 

Meine kleine Depression 
ist ein ständiger Affront. 
Ich erlebe sie als gegen mich gerichtet, 
weiss nicht wem verpflichtet - 
Aber ihr Zimmer ist in mir: 
ich und sie sind wohl ein Wir. 
Ich bestimme, was sie tut - 
aber tut mir das gut? 
Warum trübt sie meinen Blick 
nach vorne und zurück? 
Was muss sie vor mir verstecken? 
Was darf ich nicht entdecken? 
Vielleicht will sie (ich) mir sagen: 
begrenzt ist die Anzahl von zukünftigen Tagen 
und unbekannt. 
Wir sind und bleiben ignorant! 
"Carpe diem" sagt daher Horaz, der Grieche, 
dieses existenzialistisch-sprichwörtliche 
"Lebe den Tag, den Augenblick. 
Sie kehren nie mehr zurück." 
Und die Depression? 
Auf und davon?

Mittwoch, 2. Dezember 2020

meine kleine Depression (4): wie

 554. Episode 

Meine kleine Depression 
agiert phantasielos monoton. 
Was immer der Anlass: 
sie macht, dass 
mein Geist sich in dunklen Nebel versenkt, 
ich mich fühle ferngelenkt, 
jeder Elan erlischt, 
jede Differenzierung verwischt. 
Als einzige Farbe bleibt Grau 
und entsprechend mau 
geht's der Psyche: verloren und diffus
wie ein schlechter Blues. 
Die Depression als grosse Unruh: 
wie komme ich dazu? 
- Sie ist eben nicht irgendeine, 
sondern meine. 
Ich bin ihr Zimmer und ihr Haus, 
in mir geht sie ein und aus. 
Ich bin ihr Autor und ihr Publikum. 
Warum?

Montag, 30. November 2020

meine kleine Depression (3): wann

 553. Episode 

Meine kleine Depression
ist eine taffe Person. 
Sie weiss, was und wie ich denke, 
wem ich meine Aufmerksamkeit schenke. 
Besonders meine Ängste aller Art
bringen sie in Fahrt: 
war es zunächst der Tod vor der Zeit, 
so ist es inzwischen jede Krankheit 
mit noch so peripheren Symptomen - 
sie sind ihr alle willkommen: 
Husten, Schnupfen, rinnende Nase, 
Schwindel, Fieber, unruhige Blase ... 
Sie eilt aus ihrem Zimmer 
und produziert das fatale Corona-Geflimmer, 
das Körper und Geist 
derzeit entgleist: 
Ängste, endend in Panik, 
und Angst vor den Ängsten, der Über-Kick! 


Samstag, 28. November 2020

meine kleine Depression (2): wo

 552. Episode 

Meine kleine Depression 
ist zwar keine Liaison, 
hat aber in meinem Kopf ein Zimmer 
wahrscheinlich schon seit immer 
(ich hab es nie gewusst, 
umso grösser jetzt der Frust). 
Da kommt sie heraus, 
breitet sich aus, 
infiziert alles Denken, 
lässt sich nicht lenken - 
und dann
irgendwann 
verschwindet sie
als wäre sie nie 
dagewesen. 
Man glaubt sich genesen. 
Aber sie ist nicht fort, sondern wie immer 
hier, in ihrem Zimmer.

Donnerstag, 26. November 2020

meine kleine Depression (1): was

551. Episode 

Meine kleine Depression 
begleitet mich schon
einige Zeit. 
Und sie will noch weit 
mit mir gehen: 
wir werden sehen. 
Gefragt hat sie mich nicht. 
Ich bin keineswegs erpicht, 
dass sie bei mir ist. 
So werde ich als Exorzist 
sie vertreiben: 
durch Schreiben. 
Dass man von ihr spricht 
mag sie nämlich nicht.   
Ihr Habitus 
ist dunkel und diffus, 
ihr Management 
ziemlich intransparent. 
Jetzt kommen also Gedichte 
mit klärendem Lichte. 

(Die Reime sind einfach und glatt - 
wie sie es mir aufgetragen hat.)

Samstag, 16. Mai 2020

Corona-Gedichte (7): das Ende


B.D. ärgert sich, 
und zwar ziemlich grundsätzlich: 
"Schon wieder ein Corona-Gedicht? 
Reicht es nicht, 
dass in den Zeitungen nichts anderes steht, 
es im TV um nichts anderes geht? 
Und auch im Internet 
und im (Video-)Kabarett 
ist es das einzige Thema - 
und immer nach demselben Schema! 
Der vielleicht etwas andere Blick 
der Lyrik 
erschöpft sich auch 
beim aktuell intensiven Gebrauch: 
Jeden Dichter, jede Dichterin 
zieht es zu Cor-Emotionskitsch hin. 
Darauf kann ich verzichten. 
Deshalb: Schluss mit den Cor-Gedichten! 


Dienstag, 12. Mai 2020

Corona-Gedichte (5): das Reisen


B.D. reist jetzt viel herum
mit seinem Foto-Album: 

- in London beim Tower 
der übliche Regenschauer
- in Pisa auf dem Turm
mit leichtem Drehwurm 
- durch Paris mit der Metro,
manchmal ein bisschen retro 
- die gelbe S-Bahn in Berlin
ist nicht rot-weiss wie in Wien 
- in Rom auf den 7 Hügeln, 
und nachher die Hosen bügeln 
- in Prag auf der Brücke 
das Stechen einer Mücke 
- in Venedig auf der Brücke 
Casanova mit Krücke 
- in New York im MOMA 
der Moderne strenges Aroma 
- und in Los Angeles sogar 
im Kino mit dem Oscar 

Und zur Jause
ist er wieder und ganz sicher zu Hause. 
So schnell so weit mit den Reisen 
war er noch nie. Soll man deswegen Corona preisen?

Sonntag, 10. Mai 2020

Corona-Gedicht (4): der Spaziergang


B.D. geht auf der Strasse - 
und zum Mass aller Masse 
wird die Distanz. 
Sie okkupiert ihn ganz: 
Die Grenze von ein 
Meter muss es sein. 
Dieses laufende Vermessen 
lässt alles andere vergessen: 
den Blick in die Ferne, 
das Leuchten der Sterne, 
das trancehafte Schlendern, 
das kokette Gendern, 
das klassifizierende Botanisieren, 
das antizipierende Memorieren - 
Und so kehrt er nach Hause zurück 
mit nichts als dem Ein-Meter-Blick. 

Oder so: 


B.D.     geht     auf     der     Strasse   - 

und     zum     Mass     aller     Masse 

wird     die     Distanz. 

Sie     okkupiert     ihn       ganz  : 
  
Die      Grenze     von     ein 

Meter     muss     es    sein  . 

Dieses     laufende     Vermessen 

lässt     alles     andere     vergessen  : 

den     Blick     in     die     Ferne  , 

das     Leuchten     der     Sterne  , 

das     trancehafte     Schlendern  , 

das     kokette     Gendern  , 

das      klassifizierende      Botanisieren  , 

das     antizipierende      Memorieren   - 

Und      so     kehrt     er     nach     Hause     zurück 

mit     nichts     als     dem     Ein-Meter-Blick  . 



Freitag, 8. Mai 2020

Corona-Gedichte (3): die Kunst


B.D.
liebt Klee - 
nicht den grünen, 
sondern Paul, den kühnen 
Maler der Geometrie 
mit zarter Ironie: 
die Farben blass, 
als Titel irgendwas, 
und unpräziser Strich - 
richtig anschaulich 
ist das nur im Original, 
und nicht digital.
Aber wo? - 
Unzugänglich wie ihr Depot 
sind die Museen. 
So kann es einem derzeit gehen 
mit der Kunst: 
Alles wie im Dunst. 

Mittwoch, 6. Mai 2020

Corona-Gedichte (2): der Balkon


B.D. sitzt schon 
frühmorgens auf dem Balkon. 
Die Luft ist rein und virenfrei. 
Unten ziehen die Leute vorbei, 
vereinzelt trotz der Menge. 
Nur hie und da etwas Gedränge 
wenn eine Ampel rot.
B.D. geniesst das Morgenbrot
auf dem Balkon 
und liest im geschrumpften Feuilleton 
über das neueste Maskendesign. 
Da sitzt er ganz allein 
und ganz für sich - 
und doch auch ziemlich öffentlich. 

Montag, 4. Mai 2020

Corona-Gedichte (1): Anlass und Konzept


B.D. spricht 
sein erstes diesbezügliches Gedicht:
"Oh Corona,
du bist seit sieben Wochen da, 
aber ich gewöhne mich 
nicht an dich.
Deine Herkunft, soweit bekannt, 
ist eher degoutant. 
Du lebst grossteils versteckt, 
wirkst vor allem indirekt: 
Dein Schaden ist tragisch im Einzelfall, 
potenziert sich aber immens kollateral. 
Du bist klein und nichtig -  
nur in dem was du auslöst wichtig. 
Deshalb ist das das erste und letzte der Gedichte, 
das ich direkt an dich richte. 
Ab jetzt ist die Rede nur mehr von mir, 
und von einem 'Wir' -
aber du gehörst nicht dazu, 
und lass uns endlich in Ruh." 

Mittwoch, 11. Dezember 2019

Sonntag, 30. Juni 2019

Best of B.D. (28): Konkrete Bibliotheks-Poesie für Gomringer

7.2.2015 - 279. Episode: bibliophile konkrete Poesie
15.2.2015 - 280. Episode: ongoing konkrete Poesie






































A.E. (Alter Ego): Das ist doch nicht der Gomringer, der sexistische Sprüche auf die Aussenwand einer berliner Hochschule geschrieben hat?
B.D.: Doch, das ist er:
 "Alleen und Blumen und Frauen und ein Bewunderer" -
Poesie darf das, auch konkrete.

Donnerstag, 20. Juni 2019

Best of B.D. (27): das Ende der Enzyklopädien

24.8.2014 - 255. Episode: Déjà-vu mit Brockhaus-Enzyklopädie





















A.E. (Alter Ego): Und jetzt, 5 Jahre später? Immer noch in Trauer? Oder schon bei Wikipedia?
B.D.: Wikipedia ist Ersatz höchstens im einzelnen Eintrag -
Die Leistung der Enzyklopädie (und aller grossen und kleinen Lexika) lag in ihrer Gewichtung der Inhalte durch die Auswahl und relationale Komprimierung auf ein vorgegebenes Gesamtvolumen hin. Dieser überschaubare und sichtbare Umfang war ihre Stärke. Die einzelnen Einträge standen nicht nur für sich (wie in Wikipedia), sondern immer in impliziter Relation zu allen anderen Einträgen; sie bildeten eine in sich geschlossene Gesamtheit. Wikipedia kennt das nicht, es ist nur unbegrenzt offen.
A.E.: Aber das ist doch auch etwas.

Sonntag, 16. September 2018

Sonntag, 2. September 2018

Sommer-Lesegedichte (14): Ende der Saison

B.D. sagt: Der Sommer geht 
und nichts besteht. 
Manches kehrt wieder, 
aber als Nieder-
lage. 
Nur die Tage 
des Lesens bleiben davon 
unberührt, und autochthon. 

Dienstag, 28. August 2018

Sommer-Lesegedichte (13): Lesequartiere

B.D. sagt: Ich imaginiere 
residuäre Lesequartiere
für mich. 
Ich 
bin immer dort 
und verlasse den Ort
nur dann 
und wann.

Donnerstag, 23. August 2018

Sommer-Lesegedichte (12): Ist das die Zukunft?

B.D. sagt: Was soll ich sagen 
zu diesen Fragen: 
Ist das Buch am Ende? 
Oder kommt auch hier die Retro-Wende? 
Gibt es die Zeitung ohne Papier? 
Gibt es news ohne Quoten-Gier?
Sind "social media" sozial? 
Oder ist das den Algorithmen egal?

Montag, 20. August 2018

Sommer-Lesegedichte (11): Hitzefolgen

B.D. sagt: Was soll ich sagen
in diesen Tagen - 
Was ich gerade lese?
Cesare Pavese.
Und dann? 
Thomas Mann 
(einer meiner Witze
bei dieser Hitze).