Donnerstag, 14. Mai 2020

Corona-Gedichte (6): das Fernsehen


B.D. liebt die bewegten
Bilder im schwarz belegten 
Saal. 
Aber das ist jetzt anormal. 
Als leidenschaftlichem Kinogeher 
bliebt ihm nur der Fernseher. 
Aber die Filme dort, auch die im Stream, 
egal ob massenhaft oder intim, 
sind plötzlich sehr inkorrekt und alt. 
Sie zeigen den unüberbrückbaren Spalt, 
der zwischen Vor- und Mit-Corona klafft, 
und zwar ziemlich beispielhaft: 
Was dort zu sehen 
sind Menschen, die ohne Maske gehen, 
vom ein-Meter-Abstand nichts wissen, 
sich daher unentwegt küssen. 
Omas, die Enkel herzen, 
Opas, die Geburtstagskerzen 
speichelspeiend ausblasen, 
Fan-Kohorten, die auf grünem Rasen 
liegend Popkonzerten lauschen 
und Körperflüssigkeiten tauschen. 
Es ist eine inzwischen sehr ferne Welt, 
die via Fern-Sehen Einzug hält. 
Seine Gegenwart gibt es dort nicht.
Filme zur Nah-Sicht 
werden nicht gedreht, 
weil das derzeit gar nicht geht.


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